Medienservice Sachsen
28.01.2021, 10:00 Uhr — Erstveröffentlichung
Der Durst der Atmosphäre
Wie Trockenheit und Spätfröste das Jahr 2020 geprägt
haben
Das dritte Jahr in Folge mit zu wenig Niederschlag, zu
hohen Temperaturen und über-durchschnittlich vielen Sonnenstunden hat die
Trockenheit in Sachsen 2020 weiter vorangetrieben. Der Vergleich mit den aktuellen
Klimaprojektionen für Sachsen zeigt, dass im Hinblick auf Lufttemperatur und
Sonnenstunden in den vergangenen zehn Jahren bereits der Zustand eingetreten
ist, der bei ehrgeizigem Klimaschutz erst zum Ende des 21. Jahrhunderts
erwartet wurde.
Das sind Ergebnisse, die das Landesumweltamt Sachsen
(LfULG) und der Deutsche Wetterdienst (DWD) heute beim 9. Pressegespräch
»Wetter trifft auf Klima« in Dresden vorgestellt haben. Untersucht wurde, wie
sich die Witterung 2020 klimatologisch einordnen lässt und welche Auswirkungen
sie auf Umwelt, Land- und Forstwirtschaft hat. Als Bezugsgröße für die
Bewertung dient die Klimareferenzperiode 1961 - 1990.
Als besonders markant bewerten die Experten, dass sich
der Witterungsverlauf aus den Jahren 2018 und 2019 im Jahr 2020 gleichartig
fortgesetzt hat. In Bezug auf Niederschlag, Temperatur und Sonnenstunden
ergeben sich daraus neue Extreme: drei Jahre in Folge Niederschlagsdefizit und
drei Jahre in Folge ein Überschuss an Wärme und Sonnenstunden. In Sachsen handelt
es sich um die drei wärmsten Jahre seit Beginn der Wetteraufzeichnungen im Jahr
1881.
Das Jahr 2020 war in Sachsen mit 2,2 Grad »extrem zu
warm«, mit 23 Prozent mehr Sonnenstunden »viel zu sonnenreich« und mit 9
Prozent weniger Niederschlag »zu trocken«. Bis auf das Frühjahr waren alle
Jahreszeiten »extrem zu warm«. Der Winter 2019/20 sticht mit einem Plus von 4,3
Grad besonders hervor. Deshalb setzte der Vegetationsbeginn mehr als zwei
Wochen früher ein. Im März und im Mai trafen Spät-fröste auf die bereits
fortgeschrittene Vegetation, was zeigt, dass die Gefahr für Spätfröste trotz
des Klimawandels bleibt. Das Frühjahr 2020 war mit 47 Prozent mehr
Son-nenstunden »extrem zu sonnenreich« und mit 39 Prozent weniger Niederschlag
»extrem zu trocken«.
In den drei Trockenjahren hat sich ein
Niederschlagsdefizit von circa 400 Litern pro Quadratmeter aufsummiert.
Aufgrund der gestiegenen Lufttemperatur und Sonnen-stunden entstand ein um 17
Prozent höherer Wasserbedarf. Wenn man diese Bedingungen zusammen betrachtet,
ergibt sich in der atmosphärischen Bilanz ein Gesamtdefizit von 800 Litern
Wasser pro Quadratmeter. Das entspricht einem durchschnittlichen
Jahresniederschlag in Sachsen. Vereinfacht ausgedrückt: Die Atmosphäre hat mehr
Durst. Das Andauern dieses Zustandes ist mit erheblichen Risiken für das System
Boden-Pflanze-Atmosphäre verbunden.
Die Auswirkungen der Trockenheit, die erst 2018 deutlich
sichtbar geworden sind, hatten sich bereits seit Herbst 2013 aufgebaut. Ab
diesem Zeitpunkt traten vermehrt at-mosphärische Bedingungen auf, die eine
Ausbildung von Trockenheit begünstigen be-ziehungsweise vorantreiben. Das in
den Vorjahren aufgebaute Niederschlagsdefizit im Wasserhaushalt hat sich 2020
weiter verstärkt. Es herrscht Wassermangel. Das Defizit ist inzwischen so
massiv, dass es wochenlang anhaltend regnen müsste, um es auszu-gleichen. Die
Auffüllung des Wasservorrats im Boden erfordert entweder eine langsame
Schneeschmelze oder einen Landregen, weil nur dann das Wasser in den Boden
einsickern kann. Starkregen führt fast ausschließlich zu Oberflächenabfluss und
Bodenerosion, gelangt aber kaum bis ins Grundwasser.
Dadurch hat sich die Grundwasserdürre 2020 weiter
verschärft und einen neuen Tiefststand erreicht. Aktuell wird der
monatstypische Grundwasserstand an knapp 90 Prozent der Grundwassermessstellen
in Sachsen um durchschnittlich 60 Zentimeter unterschritten. Für 2021 ist keine
kurzfristige Entspannung zu erwarten. In den Kalenderjahren 2018 bis 2020 war
flächendeckend weniger Wasser in den sächsischen Flüssen als im langjährigen
Durchschnitt und es herrschte vielerorts anhaltendes Niedrigwasser. Das
intensivste Niedrigwasser wurde 2018 verzeichnet. Trotzdem war das Jahr 2020
der Negativ-Spitzenreiter hinsichtlich der Gesamtabflussmengen. Das hängt damit
zusammen, dass die Flüsse bei Trockenwetter hauptsächlich aus dem Grundwasser
gespeist werden, wo jedoch nicht viel zu holen war.
Die Dürrejahre 2018/2019 haben in den für Pflanzen
verfügbaren Wasservorräten der Böden Sachsens ein großes Defizit verursacht.
Besonders ausgeprägt ist das Defizit auf Lößböden. Es ist das höchste Defizit
seit Beginn der Beobachtungen 1980 und hat ein Niveau erreicht, das auch ein
überdurchschnittlich feuchter Winter nicht auffüllen würde. In den Jahren 2018,
2019 und 2020 erreichte die Bodenfeuchte im Zeitraum August bis Oktober
aufgrund der lang anhaltenden Trockenheit ein absolutes Minimum und sank
vielerorts fast bis auf den permanenten Welkepunkt.
Der Wassermangel im Boden machte 2020 auch den
sächsischen Wäldern weiter zu schaffen. Im Osterzgebirge sowie im Tief- und
Hügelland war der Speicher während der Vegetationsperiode bereits soweit
ausgeschöpft, dass für die Bäume mit dem Übergang von Trockenheit zu Dürre
zunehmender Stress in der Wasserversorgung entstand. Das Zusammenwirken von
warm-trockener Witterung und einem rasch ab-nehmenden Bodenwasservorrat führte
zur Ausweitung der Schäden an der Waldkiefer und zu Trockenstress in den
Eichenwäldern. Die Folge ist eine höhere Anfälligkeit für holz- und
rindenbrütende Käferarten. Im Westerzgebirge und im Vogtland profitierten die
Fichtenwälder von häufigeren Niederschlägen.
Insgesamt fielen die Erträge in den Ackerkulturen etwas
besser aus als in den Jahren 2018 und 2019. Durch die regional und lokal stark
variierende Niederschlagverteilung in den Monaten Juni und Juli fielen die
Erträge in der Landwirtschaft jedoch sehr unter-schiedlich aus. Zu
Trockenschäden und damit verbundenen Ertragseinbußen kam es vor allem in
Nordsachsen. Extreme regionale Unterschiede gab es auch im Grünland und
Feldfutterbau. Dort, wo der Oberboden durch Niederschläge ausreichend
durch-feuchtet wurde, konnten gute Ernten erzielt werden. In Nord- und
teilweise auch in Nordostsachsen reichten die Niederschläge häufig nicht für
eine Erholung der durch die Trockenjahre 2018 und 2019 stark geschädigten
Grasnarben aus.
Spätfröste im Mai wirkten sich in der Landwirtschaft
insbesondere auf die Wintergerste aus. Sorten, die sich zu diesem Zeitpunkt in
der Blüte befanden, bildeten nur wenige bis gar keine Körner in den Ähren aus.
Experten sprechen hier von »Laternenblütigkeit«. Die trockene und warme
Witterung im Spätsommer, die das dritte Jahr in Folge auftrat, hat die Eiablage
beim Getreidelaufkäfer stark begünstigt. Die Jungkäfer des Getreidelaufkäfers
traten in der Folge so massiv auf, dass die Käfer örtlich von angrenzen-den
Feldern in Wohngrundstücke eingewandert sind und zu Lästlingen für die Bewohner
wurden. Zudem kam es zu Schäden durch große Feldmauspopulationen.
Im Obst-, Gemüse- und Gartenbau haben die langanhaltende
Trockenheit im Winter 2019/2020 und Frühjahr 2020 sowie mehrtägige
Spätfrostereignisse im März und Mai zu erheblichen Ertrags- und
Qualitätseinbußen, insbesondere bei Baumobst und Wein, geführt. An Apfel-,
Birnen- und Kirschbäumen traten großflächig extreme Schäden an Knospen und
Blüten auf. Die Äpfel blieben untypisch klein und wiesen Frostzungen auf. Die
Spätfröste im Mai sorgten auch im sächsischen Weinbaugebiet für erhebliche
Ertragsausfälle. Altreben auf lößreichen Böden trotzten der Trockenheit und
lieferten gute Erträge. Bei Gemüse sorgte die Trockenheit verbreitet für
Ertragsausfälle, die zum Großteil nicht durch Bewässerung abgefangen werden
konnten.
Die Witterung hat auch Einfluss auf die Luftqualität.
Hohe Konzentrationen von Fein-staub PM10 und damit verbundene Überschreitungen
des Tagesgrenzwertes von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft treten vor allem in
der kalten Jahreszeit auf. Die Fortsetzung der Reihe zu warmer Winter
begünstigte die weitere Verringerung der Konzentrationen von Feinstaub PM10 und
Stickstoffdioxid in der Außenluft. Die Fein-staub PM10-Konzentrationen lagen
auf dem niedrigsten Niveau seit Beginn der Messungen im Jahr 1999.
Der aktuelle Jahresrückblick »Wetter trifft auf Klima
2020« steht ab sofort online zur Verfügung:
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Informationen
Herausgeber
Landesamt für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (https://www.medienservice.sachsen.de/medien/?search%5Binstitution_ids%5D%5B%5D=10316)